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Vietnam — Wie Menschenrechte mit Füßen getreten werden

Feb. 5, 2017

Wer sich auf südostasiatischem Pflaster bewegt, weiß ja, worauf er sich einlässt. Demokratie? Menschenrechte? Existieren hier maximal auf dem Papier. Vietnam ist da keine Ausnahme.

Möchte man zu diesem Thema etwas tiefer schürfen und nach unabhängigen Informationen suchen, muss man das außer Landes tun. In Vietnam wird man dabei nämlich an seine Grenzen stoßen. Ich jedenfalls muss feststellen, dass Webseiten wie die von Radio Free Asia von hier aus nicht zugänglich sind.

Lasse ich den theoretischen Überbau eben außen vor. Die Praxis bietet ohnehin genügend Anschauungsmaterial; dafür, wie in diesem Land Prinzipien, die für uns daheim zum Glück selbstverständlich sind und hoffentlich bleiben werden, im wahrsten Sinne des Wortes mit den Füßen getreten werden.

Blöde Kuh, denke ich mir an einem Abend in Hanoi. Die Straßenverkäufern hat es anscheinend nicht nötig, dank mir den Absatz ihrer Früchte zu fördern. Jedenfalls würdigt sie mich keines Blickes, stattdessen ist sie mit irgendjemand anderem in eine Diskussion verwickelt. Bevor ich meinem Ärger Luft machen kann, packt sie von einem Moment auf den anderen ihre sieben Sachen zusammen und rennt davon. Das geht schneller als ich schauen kann. Während ich mich noch frage, welchen Notfall sie zu Hause (?) haben könnte, kommt die Polizei in einem Kleinlaster angerauscht. Sie stoppt vor der Verkäuferin am Nachbarstand, versetzt deren Würstchengrill einen derben Tritt und reißt ihr ohne große Umschweife die Getränkekiste aus der Hand. Die konfiszierte Ware wird auf die bereits gut mit anderem – wahrscheinlich beschlagnahmten – Material gefüllte Ladefläche geknallt. Die weinende Frau klammert sich an einem der Polizisten fest, doch da ist nichts mehr zu retten. Genauso wenig wie die Würste, die sich inzwischen auf dem ganzen Boden verteilt haben. Daneben steht verstört ihr vielleicht zehnjähriger Sohn.

Wem das nicht Thrill genug ist – ich habe noch eine Polizeikontrolle (oder was immer das sein sollte) in Saigon in petto. Dass irgendwas vor sich geht, fällt mir erst auf, als mein Blick ein paar Leute streift – sie beobachten teilnahmslos (oder womöglich eher betont desinteressiert) ein Geschehen auf der Straße.

Dort wird ein Passant vor aller Augen von der Polizei – ich sage mal – offensichtlich (ich kann ja nichts verstehen) verbal aggressiv und sehr provozierend angegangen. Keine Ahnung, was der Mann zuvor gemacht hat oder gemacht haben soll. In diesem Moment jedenfalls gibt er keinen Mucks von sich, rührt sich nicht. Er steht einfach nur da.

Und dann, es geht ganz schnell, packt einer der Polizisten den Mann am Kopf, drückt ihn grob runter, kickt ihm mit dem Knie brutal in die Brust. Der Mann wird auf’s Polizeimotorrad gesetzt und weggefahren. Für die Umstehenden scheint es eine Szene ihres ganz normalen Alltags zu sein. Neben mir höre ich eine Touristin lapidar sagen „Well, he did something wrong“. Mir treibt es die Tränen in die Augen. Ob es am Geschehen selbst oder an dem Kommentar dazu liegt, kann ich gar nicht beurteilen.

Der Polizist rechts im Bild hat dem Passanten, der gerade von einem anderen Polizisten auf dem Motorbike abtransportiert wird, zuvor mit dem Knie in die Brust geschlagen. Wer das Video nicht sehen kann, klickt hier.