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Myanmar – Horrorfilme, Unfälle, Blutungen und Fischaromen

Nov. 12, 2016

Von wegen, man trifft permanent reisende Leute. Bin von Thailand aus direkt nach Myanmar gefahren. Bilanz nach den ersten Tagen (Ausnahme Zwischenstopp an der Brücke am Kwai): Außer mir kein einziges Bleichgesicht weit und breit.

Der südliche Zipfel Myanmars ist erst seit 2013 für Touristen zugänglich und wird anscheinend noch nicht besonders stark bereist. Zumindest ist nie jemand da, wenn ich gerade da bin. Was zur Folge hat, dass ich im Bus zur thailändisch-myanmarischen Grenze irgendwann nur noch mit dem Fahrer sitze (Innerer Horror-Film ab: Ein ganzer Bus, ein Fahrer und ich. Allein.); um dann wirklich ohne eine weitere Menschenseele über die Grenze zu latschen (geht nur zu Fuß). Das Panikgedankenkarussell dreht sich noch etwas schneller, als ich abermals – jetzt mit vier Männern – als einzige Frau an Bord eines Pick-ups die Reise ins 150km entfernte Dawei antrete (6 Stunden Nettofahrzeit zzgl. Unfall s.u. und Plaudereien am Straßenrand).

Gefahren oder besser gerast wird hier rechts. Also mit dem Lenkrad rechts (Importautos aus Japan sind billig) UND auf der rechten Straßenseite (in einer Nacht- und Nebelaktion wurde einst von Links- auf Rechtsverkehr umgestellt; als emanzipatorische Maßnahme gegenüber den Briten sozusagen). Wobei das unerheblich ist, da man unter ständigem Hupen sowieso immer dorthin lenkt, wo die weniger großen Schlaglöcher sind.

Dass es keinen Sinn macht, mich weiter durch die zahlenmäßige Unterlegenheit meines Geschlechts verrückt zu machen, beschließe ich, als nochmal fünf Jungs auf unsere Pritsche springen. Sie sind auf der Serpentinenpiste mit ihren Autos direkt vor uns frontal ineinander geknallt.

In Anbetracht der Tatsache, dass Sicherheitsgurte hier nicht benutzt, sondern extra weggebunden werden (keine Sorge, Mama, ich habe alles entknotet und mich angeschnallt), ist zu meiner Überraschung nicht besonders viel passiert.

Mehr noch irritiert mich, dass der Polizist am Unfallort aus dem Mund blutet, er aber – wie er auf mein besorgtes Nachfragen glaubhaft versichert – gar nicht in den Crash verwickelt war.

Später fällt mir auf, dass irgendwie alle Männer aus dem Mund bluten, schon in jungen Jahren ein unterirdisches Kauwerkzeug haben und permanent einen ganzen Schwall aus rotem Zeugs rausrotzen (dabei habe ich China doch extra ausgelassen). Überall. Ich finde heraus, dass sie hier von jeher in rauen Mengen Betelnüsse kauen, was nicht nur zu einer krassen Produktion roten Speichels und kaputten Zähnen führt, sondern auch in eine Art Rauschzustand versetzt, in dem sich Hunger und Hitze besser ertragen lassen.

Ok, dann lag ich mit meiner Vermutung, die rot-braun gescheckten Wege, Straßen und Böden seien auf die Hinterlassenschaften menstruierender Straßenhunde zurückzuführen, also falsch. Und das Verbotsschild mit dem Rot kotzenden Männchen macht jetzt auch Sinn. Ist mir aber leider nur einmal unter gekommen.

Jedenfalls wird die Straße mal eben  mit ein paar Palmwedeln abgesichert, die Fahrt geht weiter und ich versuche mich auf die wirklich einzigartige dschungelartige Berglandschaft zu konzentrieren und mich nicht zu fragen, wer auf der Pritsche gerade wie auf meinem Rucksack sitzen könnte. Ich habe ihn zwar noch nicht aufgegeben, geht ja nicht, aber hinsichtlich des Rucksacks beschäftigt mich ein ganz anderes Problem – seit ich eine Nacht in einem Zimmer zugebracht habe, das direkt über einer Fischfabrik gelegen haben muss. Der Gestank zumindest ließ darauf schließen. Und dass mein Rucksack samt Inhalt auch heute noch aus allen Poren danach riecht, ebenso. Warum bloß hat mir keiner gesagt, dass ich Febreze mitnehmen muss!?

Mittlerweile habe ich

  • weitere Busfahrten mit ausnahmslos einheimischen Begleitern – darunter ein transsexueller Visagist, der mich in die aktuellen Popcharts des Landes sowie unter spitzen „so hot, so sexy“-Rufen in die angesagtesten RnB-Songs der Gay-Community eingewiesen hat,
  • einen auf einem LKW vorbeifahrenden Elefanten (bin mir echt nicht sicher, ob ich das nicht doch phantasiert habe),
  • eine Verirrung in die verdreckte Baustelle einer Tempelruine, wo nach wie vor barfußpflicht gilt, Spucken dagegen erlaubt ist (igitt ist das glitschig – erwäge, mir die Füße abzuhacken)

hinter mir.

Ich habe das Gefühl, das ist erst der Anfang.