
Myanmar – Horrorfilme, Unfälle, Blutungen und Fischaromen
Von wegen, man trifft permanent reisende Leute. Bin von Thailand aus direkt nach Myanmar gefahren. Bilanz nach den ersten Tagen (Ausnahme Zwischenstopp an der Brücke am Kwai): Außer mir kein einziges Bleichgesicht weit und breit.
Der südliche Zipfel Myanmars ist erst seit 2013 für Touristen zugänglich und wird anscheinend noch nicht besonders stark bereist. Zumindest ist nie jemand da, wenn ich gerade da bin. Was zur Folge hat, dass ich im Bus zur thailändisch-myanmarischen Grenze irgendwann nur noch mit dem Fahrer sitze (Innerer Horror-Film ab: Ein ganzer Bus, ein Fahrer und ich. Allein.); um dann wirklich ohne eine weitere Menschenseele über die Grenze zu latschen (geht nur zu Fuß). Das Panikgedankenkarussell dreht sich noch etwas schneller, als ich abermals – jetzt mit vier Männern – als einzige Frau an Bord eines Pick-ups die Reise ins 150km entfernte Dawei antrete (6 Stunden Nettofahrzeit zzgl. Unfall s.u. und Plaudereien am Straßenrand).
Gefahren oder besser gerast wird hier rechts. Also mit dem Lenkrad rechts (Importautos aus Japan sind billig) UND auf der rechten Straßenseite (in einer Nacht- und Nebelaktion wurde einst von Links- auf Rechtsverkehr umgestellt; als emanzipatorische Maßnahme gegenüber den Briten sozusagen). Wobei das unerheblich ist, da man unter ständigem Hupen sowieso immer dorthin lenkt, wo die weniger großen Schlaglöcher sind.
Dass es keinen Sinn macht, mich weiter durch die zahlenmäßige Unterlegenheit meines Geschlechts verrückt zu machen, beschließe ich, als nochmal fünf Jungs auf unsere Pritsche springen. Sie sind auf der Serpentinenpiste mit ihren Autos direkt vor uns frontal ineinander geknallt.
In Anbetracht der Tatsache, dass Sicherheitsgurte hier nicht benutzt, sondern extra weggebunden werden (keine Sorge, Mama, ich habe alles entknotet und mich angeschnallt), ist zu meiner Überraschung nicht besonders viel passiert.
Mehr noch irritiert mich, dass der Polizist am Unfallort aus dem Mund blutet, er aber – wie er auf mein besorgtes Nachfragen glaubhaft versichert – gar nicht in den Crash verwickelt war.
Später fällt mir auf, dass irgendwie alle Männer aus dem Mund bluten, schon in jungen Jahren ein unterirdisches Kauwerkzeug haben und permanent einen ganzen Schwall aus rotem Zeugs rausrotzen (dabei habe ich China doch extra ausgelassen). Überall. Ich finde heraus, dass sie hier von jeher in rauen Mengen Betelnüsse kauen, was nicht nur zu einer krassen Produktion roten Speichels und kaputten Zähnen führt, sondern auch in eine Art Rauschzustand versetzt, in dem sich Hunger und Hitze besser ertragen lassen.
Ok, dann lag ich mit meiner Vermutung, die rot-braun gescheckten Wege, Straßen und Böden seien auf die Hinterlassenschaften menstruierender Straßenhunde zurückzuführen, also falsch. Und das Verbotsschild mit dem Rot kotzenden Männchen macht jetzt auch Sinn. Ist mir aber leider nur einmal unter gekommen.
Jedenfalls wird die Straße mal eben mit ein paar Palmwedeln abgesichert, die Fahrt geht weiter und ich versuche mich auf die wirklich einzigartige dschungelartige Berglandschaft zu konzentrieren und mich nicht zu fragen, wer auf der Pritsche gerade wie auf meinem Rucksack sitzen könnte. Ich habe ihn zwar noch nicht aufgegeben, geht ja nicht, aber hinsichtlich des Rucksacks beschäftigt mich ein ganz anderes Problem – seit ich eine Nacht in einem Zimmer zugebracht habe, das direkt über einer Fischfabrik gelegen haben muss. Der Gestank zumindest ließ darauf schließen. Und dass mein Rucksack samt Inhalt auch heute noch aus allen Poren danach riecht, ebenso. Warum bloß hat mir keiner gesagt, dass ich Febreze mitnehmen muss!?
Mittlerweile habe ich
- weitere Busfahrten mit ausnahmslos einheimischen Begleitern – darunter ein transsexueller Visagist, der mich in die aktuellen Popcharts des Landes sowie unter spitzen „so hot, so sexy“-Rufen in die angesagtesten RnB-Songs der Gay-Community eingewiesen hat,
- einen auf einem LKW vorbeifahrenden Elefanten (bin mir echt nicht sicher, ob ich das nicht doch phantasiert habe),
- eine Verirrung in die verdreckte Baustelle einer Tempelruine, wo nach wie vor barfußpflicht gilt, Spucken dagegen erlaubt ist (igitt ist das glitschig – erwäge, mir die Füße abzuhacken)
hinter mir.
Ich habe das Gefühl, das ist erst der Anfang.
Menno, und ich hatte doch noch soviel Febreeze übrig! Du schaffst das!!! Ich bin mir sicher!
Hättest du mal
Was gesagt. Es ist noch immer nicht weg. Sagrotanflasche schon fast leer. Bringt aber auch nix.
Liebe Judith , ich verfolge gespannt deine Berichte! Und freue mich schon auf den Nächsten!!! Was Du alles siehst und erlebst, bleibt uns vorenthalten oder je nach dem auch Gott sei Dank erspart! Ich bewundere Deinen Mut und Abenteuerlust und wünsch Dir auf der Weiterreise viel Glück! Deine T. Rita
Danke, das kann ich gut gebrauchen. Ich hing gerade eine Weile fest, weil die Busse alle ausgebucht waren. Bin daher eher zufällig in der Hauptstadt gelandet – die sehr bizarr ist. Dazu bald mehr. Liebe Grüße!
So ist Reisen off the beaten track. Mutig, dass du dich gleich so weit vom Banana Pancake Trail entfernt hast. Genieße es, denn die Bleichgesichter laufen dir noch früh genug vor die Nase. Ich sag nur Elefantenhosen….
Gruß aus Kairo!
Wobei ich heute (am Inle Lake) den ersten Pancake angeboten bekommen habe…
Judith, Du krasse Type! Ich lese gespannt aus dem herbstlichen Hamburg mit und bewundere Deinen Reise-Mut! Liebe Grüße, Elisabeth (ex-thjnk)
Elisabeth, das ist ja schön, von dir zu hören. Ein bissl mutig komme ich mir manchmal schon vor. Z.B. liege ich gerade in einem gottverlassenen Hotelkomplex in der Hauptstadt. Sehr komisch…
so hot, so sexy
🙂
Hallo Frau Nissl,
ich verfolge ab und an Ihren Blog. Toll, dass Sie das machen mit der Reise. Einige Situationen kommen mit aus Indonesien und Mexiko bekannt vor;-)
Rasen, keine Gurte, Schlaglöcher, etc. pp.
Passen Sie gut auf sich auf und noch viele weitere spannende Momente
Herzliche Grüße aus Frankfurt
Astrid Grundmann
Hallo Frau Grundmann,
ich freue mich, wenn Sie mich hin und wieder zumindest virtuell begleiten. Und: Ich finde es ja immer schön zu hören, wenn es anderen ähnlich ergangen ist.
Liebe Grüße nach Frankfurt!!
Liebe Nisslerin,
fühlt sich fast so an, als ob man selbst auf der Piste in Myanmar durchgeschüttelt wird, und der Fischgeruch hängt mir auch schon seit Tagen in der Nase. Hast Du schon die Teerkocher entlang der sogenannten Straße entdeckt?
Weiter so mit bloggen, vor uns allen stehen 12 unterhaltsame Monate!
Grüßle aus Georgien von uns dreien!
Ich habe die Befürchtung, den Fischgeruch werde ich überhaupt nicht mehr los, wenn ich mir nur diesen thailändischen Riechstick mitgenommen hätte. Teekocher habe ich keine gesehen. Aber Zementmischer. Mit den Händen…