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Mosambik

Sep. 28, 2017

Wir sind umzingelt.

Um unser Auto stehen so viele Straßenhändler herum, dass wir kaum aussteigen können. Aber es hilft nichts, wir müssen über die Grenze nach Mosambik und jetzt irgendwie an den Einreise-Schalter gelangen. Also drücken wir die Türen auf. Nur: Wir kommen nicht vom Fleck, so sehr kleben die Leute an uns, reden wild auf uns ein. Feuerlöscher, Warnwesten, Versicherungen, Simkarten – mit allem Möglichen, was wir nicht brauchen, könnten wir uns eindecken. Dann, endlich an der Einreise, greift mir prompt ein (vermeintlich?) Offizieller in den Geldbeutel und behauptet, mit meinen Scheinen stimme etwas nicht. Die Masche ist nun wirklich von vorgestern, trotzdem bringt mich der Typ für einen Moment aus dem Konzept.

So langsam begreife ich, was die Leute meinen, wenn sie vom „afrikanischeren Feeling“ reden. Ja, irgendwie fühlt sich das hier afrikanischer als Südafrika an.

Inzwischen habe ich den Reisepartner gewechselt – in Bolivien habe ich Marie kennengelernt, die sich mir für die nächsten Wochen anschließen wird.

Das heißt – eigentlich sind wir zu dritt: Celine Dion sitzt sozusagen auf der Rückbank (Marie ist Französin und hat ihre Playlist mitgebracht…). Wir haben uns einen Geländewagen mit zwei Dachzelten (Celine schläft bei Marie) gemietet – für den nächsten Monat ist Campen angesagt.

Wir beginnen mit der mosambikanischen Küste, sind allerdings einen Tag zu spät dran, weil die Autovermietung in Johannesburg was mit den Grenzpapieren vermasselt hat. Maputo müssen wir daher leider sausen lassen. Grrrr.

Es geht also direkt auf eine Halbinsel nördlich von Maputo, dort befindet sich ein Strand namens Macaneta Beach. Wobei sich das so leicht dahin sagt. Das Ziel und uns trennt eine beinahe knietiefe Sandpiste.

Ich drücke auf’s Gas und versuche nicht daran zu denken, dass wir eine Bremse haben. Das soll funktionieren, habe ich irgendwo aufgeschnappt. Blöderweise habe ich eine weitere Sandfahr-Regel vergessen: Luft aus den Reifen lassen. Es braucht nicht mehr als ein Streichholz und bis dreißig zählen zu können (jedenfalls wenn man wie wir nicht entsprechend ausgerüstet ist), um den Reifendruck auf „sandfahrtauglich“ zu bringen.

Und so schlittern wir dahin. Wenn bloß nicht die ganzen Kinder wären, die am Weg entlanglaufen und auch noch stehen bleiben um zu winken!

Eine halbe Stunde später kommen wir etwas verspannt, aber immerhin, ohne jemanden über den Haufen gefahren zu haben, an unserem Campingplatz an. Wir sind die einzigen. Herrlich! Hinter den Dünen wartet ein kilometerlanger, mega breiter, menschenleerer – jetzt kommt’s – sauberer Strand auf uns. Noch herrlicher!

Ich bin allerdings einigermaßen schockiert, wie sie hier heißes Wasser herstellen: Hinter den Duschen steht ein riesiger Ofen, der den ganzen Tag über mit Holz befeuert wird. Das ist an sich schon schlimm genug, aber nun befinden sich hier nicht mehr als zwei Gäste, für die der ganze Aufwand betrieben wird!

Auch am nächsten Ort (und wie sich herausstellen wird an allen anderen Orten in Mosambik und Simbabwe) – Barra Beach – lodert bereits der Ofen. Wieder sind wir die einzigen Gäste, wieder ist das Stranderlebnis: leer, sauber, riesig, einsam.

Moment. Das stimmt nicht ganz. Mit dem Aufwachen sind wir damit beschäftigt, uns die ganzen Händler vom Hals zu halten. Kaum ist einer weg, steht der nächste auf der Matte. Wir haben kaum Cash, aber das macht nichts. Die Jungs nehmen auch Fressalien. Obwohl wir uns damit auf einem Markt reichlich eingedeckt haben, wird es nicht lange vorhalten, wenn ich so weitermache und jedem was aus unserem Kühlschrank reiche.

Ich muss mir wohl auch abgewöhnen, den bettelnden Kindern etwas zu geben, die mir nach jedem Supermarktbesuch in Scharen bis zum Kofferraum hinterherlaufen. Der, der am schnellsten ist, kriegt was ab, aber anstatt mit den anderen zu teilen, macht er sich feixend aus dem Staub. Ich bin ratlos.

Wir waren gerade dabei, uns an überdimensionale Privatstrände zu gewöhnen, da kommen wir nach Vilanculos – ebenfalls an der Küste gelegen, etwas weiter im Norden, touristisch geradezu erschlossen. Zumindest was die erste Reihe direkt am Strand anbelangt. Direkt dahinter beginnt die Armut der Hüttensiedlungen. Ein verstörend krasser Gegensatz.

Zum Programm des pflichtschuldigen Touristen gehört hier ein Ausflug auf den Bazaruto-Archipel. Irgendjemand hat das Gerücht von karibischem Flair in die Welt gesetzt.

Nicht, dass ich schon in der Karibik gewesen wäre, aber dieser Vergleich ist mir dann doch zu weit hergeholt. Ja, es ist nett, aber nicht mehr. Der inkludierte Schnorcheltrip führt in nichts als trübes Gewässer, und die vorausgehende Bootsfahrt hat uns alle fast zu Invaliden gemacht. Wir müssen über ein Riff (die sogenannte „Waschmaschine“), wo die Wellen so hoch schlagen, dass wir ständig in die Luft katapultiert werden, und unsere Bandscheiben beim harten Aufschlagen um einige Zentimeter geschrumpft sein müssen. Als wir von Bord gehen, machen wir uns – „huch, du blutest ja“ – gegenseitig auf Schnitt- und Schürfwunden aufmerksam. Gab ja auch genug rostige Nägel an Bord. Und meine (Bei-)Fahrerin sitzt jetzt mit einer angeknacksten Rippe neben mir. Da sind die Delfine, die an uns vorbei geschwommen sind, um in den Wellen zu spielen, nur ein schwacher Trost.

Wir spülen den Tag runter. Ein lesbisches Pärchen aus Namibia, das mit uns an Bord war und dessen Trinkfestigkeit mich nachhaltig beeindruckt, führt uns in die Trinkgepflogenheiten Mosambiks ein: Tipo Tinto (das ist der einheimische Rum, den es nur in ganz ausgesuchten Läden gibt) in der mosambikanischen Variante mit Himbeer-Limo (krass süß) oder eben klassisch mit Cola. Irgendwann beichtet uns der Kellner, dass ihm der Rum ausgegangen sei. Kein Wunder, auf der Rechnung stehen 17 doppelte Rum. Alle Achtung, meine Reisebegleitung und ich haben es zusammen gerade mal auf sechs gebracht. Aber damit nicht genug, wir werden in ein winzig kleines Lokal mit landestypischer Küche geführt. Zu zahlreichen Flaschen Bier (vornehmlich für die Namibier) gibt es eine mir noch unbekannte Variante von Yucca: Hier isst man nicht die Wurzel, sondern die Blätter (Cassava-Leaves), die in einer Erdnuss-Soße daherkommen. Matapa nennt sich das Ganze, sieht ein bisschen aus wie Iglo-Rahmspinat, schmeckt aber tausendmal besser.

Anderntags geht es in aller Herrgottsfrühe los, wir müssen einmal quer durch’s Land. Ich weigere mich zu glauben, dass es an meinem Schädel liegt, wenn ich der mosambikanischen Landschaft –  abgesehen von den Stränden – nach wie vor nicht viel abgewinnen kann. Alles flach, mal mit mehr, mal mit weniger grünen Büschen. Dafür ist nun die Straße so, wie man sich eine afrikanische Straße vorstellt: Voller Schlaglöcher von einer Tiefe, die ganz schnell für einen Achsbruch sorgen kann.

Am Straßenrand immer wieder komplett ausgebrannte Busse. Dazwischen pinkelnde Männer, Frauen, die das, was sie in Asien auf dem Roller transportieren, auf dem Kopf tragen, und – ungelogen – alle paar Kilometer Polizeikontrollen. Auch wir sind irgendwann dran, wegen ganzer 14 kmH! Der Polizist lässt nicht mit sich verhandeln, aber Maries Telefonnummer hätte er schon ganz gerne!

Nicht lange, und sie halten uns schon wieder an. Ich stehe schon fast, da fällt mir erst auf: das ist keine Polizei! Da steht jemand mitten auf dem Highway und wedelt mit einer Ananas. Ist der lebensmüde?

Alle paar hundert Meter geht das jetzt so: Menschen springen unvermittelt auf die Straße und schwingen eine Ananas durch die Luft (später dann wird aus der Ananas ein Berg Orangen). Leute, könnt ihr euch zur Abwechslung nicht mal was anderes einfallen lassen? Ein klitzekleines bisschen Geschäftssinn täte hier ganz gut. Für Ananasmarmelade oder sowas müsste man noch nicht mal groß investieren.

Da fällt mir ein, was ja nicht neu ist: es sind nicht die Locals, die Geschäfte betreiben. In Mosambik sind es neben einer Handvoll Portugiesen tendenziell übergewichtige Südafrikaner. Es ist interessant und erschreckend zugleich, ihnen zuzuhören. Ihrer Meinung nach seien Schwarze keine Business-Menschen, es entspreche nicht ihrer Mentalität, Geld (welches?) anzusparen und zu investieren. Vielleicht gibt es tatsächlich Mentalitätsunterschiede. Aber es geht noch weiter: Schwarze bräuchten feste Regeln, da es ihnen an Disziplin fehle – sie seien daher auch für bestimmte Sportarten wie Rugby ungeeignet.

Der Fairness halber muss ich sagen, dass dieselben Südafrikaner ganz bewusst versuchen, die Einheimischen zu unterstützen.

Als Außenstehende und Durchreisende ist es echt unmöglich, das alles zu verstehen.