Select Page

Südafrika – auf den Spuren von Zulus und Elefanten

Sep. 4, 2017

Ich kann Elefanten- von Nashorn-Kacke unterscheiden, ihren Frischegrad bestimmen, vom Zustand des Buschwerks ableiten, wo eine Herde durchgetrampelt ist, nur gesehen habe ich nach über zwei Wochen Elefantenjagd noch immer keinen.

Aber von vorne. Es fällt mir schwer, mich von meiner Johannesburger Wellnessoase zu lösen. Trotzdem sitze ich irgendwann wieder im Bus. Auf der Website des Busunternehmens heißt es „We promote Christian faith on our busses“. Es dauert nicht lang und ich weiß, was es mit dieser Warnung auf sich hat. Noch bevor es losgeht, flimmern über die buseigenen Screens Erbauungsgeschichten einst vom rechten Weg Abgekommener, die ihr Seelenheil unter den schützenden Flügeln der Kirche gefunden haben. Dazwischen laufen Gebete, dass uns der liebe Gott eine unfallfreie Fahrt bescheren möge.

Die Frömmelei zeigt Wirkung, und ich komme ohne irgendwelche Zwischenfälle in Durban an. Dort treffe ich einen Bekannten, mit dem ich im Auto weiterreise.

Nicht dass ich mich großartig für Fußball interessiere, aber dass sie für die WM 2010 mitten ins Stadtzentrum ein Fußballstadion, noch dazu ein architektonisch beeindruckendes, gestellt haben, finde ich tatsächlich interessant.

Ein weiteres WM-Relikt ist die Strandpromenade – sie wurde zu einer Art Super-Highway für Fußgänger ausgebaut. Über Kilometer lässt es sich zwischen indischem Ozean und Skyline flanieren. Kein Wunder, dass ich Hunger bekomme. Wir wechseln zur Restaurantmeile in den größten Containerhafen Afrikas. Dort kann man über einem Savannah (ich liebe diesen Cider) sitzend dem Ein- und Auslaufen der Frachter zusehen. Oh Gott, jetzt werde ich doch glatt wehmütig. Eigentlich hätte ich genau hier mit dem Schiff von Brasilien aus ankommen sollen.

Gegen die aufkeimende Depression hilft vielleicht der Besuch eines Marktes für afrikanisches Handwerk und indische Gewürzberge (Durban ist ein Hub indischer Einwanderer).

Nur: Durban macht es selbst Menschen mit bestem Orientierungsvermögen (da hat mich die Reise nicht wirklich weiter gebracht) nicht leicht. Mit dem Ende der Apartheid wurden allerorts, vor allem in Durban, unzählige Straßennamen geändert. Im Zeichen eines „neuen Südafrikas“. Nur um aus rechtlichen Gründen einiges davon wieder rückgängig zu machen – im Prinzip kursieren für jede Straße zwei Namen. Selbst für die Locals ist die Verwirrung komplett.

Da passt es, dass von dem Markt, als wir ihn endlich aufgespürt haben, nicht mehr als verwaiste, verlotterte Stände übrig sind. Wir sind die einzigen Doofen, die es dort hin verschlagen hat. Wo der Reiseführer die bunten Bilder her hat, ist mir schleierhaft.

Ich will eigentlich noch nach Downtown, da gibt es Art Deco-Bauten zu sehen. Doch auch damit wird es nichts. Es ist zu gefährlich dort. Sagt jedenfalls Die Dame vom Guesthouse. Sie ist weiß (ich glaube inzwischen, dass man diese Tatsache so manches Mal nicht außen vor lassen kann). Nebenbei entscheide ich nicht alleine (auch eine neue Erfahrung nach all den Monaten des Alleinereisens).

Also raus aus Durban, entlang der Küste in Richtung Norden durch Zululand.

Da will ich hin, seit ich (das muss um die zwanzig Jahre her sein) einen Auftritt von Zulutänzern gesehen habe und mich meine etwas klischeehafte Vorstellung vom kräftigen mit einem Hauch von Fell bekleideten Zulukrieger nicht mehr los gelassen hat. Tatsächlich haben sich die Zulus, die größte ethnische Volksgruppe Südafrikas, seinerzeit von Eindringlingen nicht ins Bockshorn jagen lassen (wenn auch vergeblich). Zuerst hatten sie mit den Buren bzw. Voortrekkern zu tun, die – auf dem sogenannten Großen Treck auf der Flucht vor den Briten – immer weiter in ihr Land vorgedrungen sind. Danach dauerte es nicht lange – und auch die britischen Kolonialisten kommen um die Ecke.

Wir stehen irgendwo im Nirgendwo vor ein paar Bäumen. Etwas ratlos. Einer von ihnen soll der Ultimatum Tree sein. Dort haben die Briten den Zulus ein inakzeptables Ultimatum überreicht: die Zulus sollten sich umgehend zurück ziehen und ihr Land an die Briten abtreten. Wer gibt seine Heimat schon für größenwahnsinnige Eindringlinge auf? Mit der Absage hatten die Briten ihre Legitimation für ihren blutigen Feldzug gegen die Zulus.

(Später lese ich, dass der Baum vor Jahren schon von irgendwelchen Idioten abgefackelt wurde.)

Und so sieht es anfangs auch gar nicht besonders zuluhaft aus. Wir passieren Küstenorte, die in der Hand weißer Touristen und reicher Durbaner sind, die dort ihr Wochenenddomozil haben.

Etwas weiter gen Norden wird es „afrikanischer“, was zugleich ärmlicher heißt. Während uns ein Zuckerrohrlaster nach dem anderen den vertrockneten Teil seiner Ladung um die Ohren haut, passieren wir zwischen Hügeln und Zuckerrohrplantagen verstreute Zulu-Siedlungen.

Von halbnackten Tänzern ist natürlich weit und breit nichts zu sehen. Um meine folkloristische Vorstellung von Zulukultur zu bedienen, müsste ich in ein als disneyhaft beschriebenes nachgebautes Zuludorf gehen. Ähm, nein, das muss dann doch nicht sein.

Langsam nähern wir uns der sogenannten Elephant-Coast. Ich rutsche unruhig in meinem Sitz hin und her. Im Hluhluwe-iMfolozi-Nationalpark soll es Elefanten zur Genüge geben. Wir kurven durch den Park, bis uns vor lauter Schauen schwindlig wird. Wir sehen Warzenschweine und Impalas, nach denen man sich (schäm) irgendwann nicht mehr umdreht. Auch Giraffen und Zebras, aus der Ferne eine Büffelherde und Nashörner. Das ist zweifellos toll. Aber wo zum Geier sind die Elefanten!?

Die nächste Chance, auf Elefanten zu treffen, wäre in Swaziland (Artikel folgt). Ich nehme es gleich vorweg: es bleibt bei einem Versuch.

Wir setzen ein paar Tage mit der Safari aus. Zum Runterkommen quasi. Aus Swaziland kommend fahren wir durch die Lembobo Mountains, das Licht gegen Tagesende ist perfekt, hinter jeder Kurve möchte man anhalten, um Fotos zu machen.

Aber wir wollen ja weiter zum Blyde River Canyon. Ich bin inzwischen vorsichtig, was sich an Canyons als spektakulär schimpft.

An der Panoramastrecke klappert man einen Aussichtspunkt nach dem anderen ab. Es lässt sich sehr, sehr weit in die Ferne sehen, ja. Wer aber genauer hinschaut, bemerkt die riesigen Pinienwaldanlagen, die zum Teil komplett abgeholzt, zum Teil wieder aufgeforstet sind. Dazwischen unschöne große schwarze Flächen, die Präventivfeuern geschuldet sind.

Wo ist denn nun der Canyon? Viel mehr als ein paar Steine, die jemand durch die Gegend geschmissen haben muss, fallen mir nicht auf. Doch plötzlich werden diese Steine größer, bis es ausgewachsene Felsen sind, die in der Landschaft herum liegen. Die fangen irgendwann an, sich zu stapeln – und auf einmal ist die Landschaft eine andere. Canyonartig eben. Wir erreichen den letzten Aussichtspunkt, die sogenannten Three Rondavels. Der Ausblick, der sich dort bietet, macht es einem schwer, sich wieder loszueisen. Es geht nicht nur mir so. Durch die Büsche hört man das staunende Seufzen anderer Touristen.

Über das Highveld, eine Hochebene, wo es nachts so kalt wird, dass ich mir eine heiße Milch mit dem süchtigmachenden Amarula-Likör als Schlummertrunk genehmigen muss, geht es schließlich nach Pilanesberg, meinem vorerst letzten Nationalpark.

Dieses Mal soll nichts dem Zufall überlassen bleiben. Wir machen einen Game-Drive nach dem anderen mit – im Morgengrauen in der Eiseskälte runter von der kuscheligen Wärmedecke, raus aus dem Safari-Zelt, rauf auf den offenen Jeep, abends zum Sonnenuntergang das gleiche Spiel.

Die Maßnahme zeigt Wirkung, wir staunen über eine Gepardenfamilie, die gemütlich im halbhohen Gras abhängt, sehen Hyänen und Schakale vor dem Auto herlaufen, verbringen eine halbe Stunde mit einem Löwenrudel, das sich von uns nicht aus der Ruhe bringen lässt, kommen einer Horde von Hippos so nahe, dass es selbst der Ranger, das kann er nicht verhehlen, mit der Angst zu tun bekommt, und vor unserer Motorhaube tragen drei Nashörner ihren Zwist aus. Irgendwann machen sie den Weg frei, so dass wir es gerade rechtzeitig zum Abendessen zurück schaffen. Nur die Elefanten. Sie zieren sich nach wie vor.

Die Zeit wird knapp. Wir haben noch genau einen halben Tag, wir nutzen diese letzte Chance und fahren auf dem Weg nach Johannesburg nochmal selbst durch den Park. Ich habe schon aufgegeben, da bewegt sich links von uns tief im Gebüsch ein Ast.

Wir hauen die Bremse rein und plötzlich kreuzt vor uns eine Elefantenherde die Straße. Sie bleiben glatt stehen und giften uns lauthals trompetend an. Eine Mutter hat wohl Angst um ihr Baby.

Wir fahren weiter, noch total geplättet von diesem Eindruck, da spaziert die nächste Herde direkt auf uns zu. Auch dieses Mal rutscht uns das Herz beinahe in die Hose. Aber kurz bevor sie uns umrennen, biegen sie doch noch in den Busch ab.

Ich bin glücklich. Mission accomplished.