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Des Nächtens in Peru III

Juli 5, 2017

4:30 Uhr. Der Wecker klingelt. Auch ich möchte endlich die Brüllaffen hören. Sie fangen um diese Zeit an zu schreien. Das soll dann so klingen wie das das Rauschen einer Autobahn. Nur: Bis zu meinen Ohren will einfach nichts vordringen.

Ich habe mich in den peruanischen Dschungel zurück gezogen, ich dachte an ein paar Tage Hängemattenentspannung.

Was mir erst jetzt klar wird: Wer was vom Dschungelwildlife mitbekommen möchte, muss entweder früh raus oder spät los. Am besten beides. Und auch dann ist nichts sicher. Das war nun schon der zweite Versuch mit den Affen. Sei’s drum, aufstehen muss ich jetzt sowieso. Gleich geht es mit dem Boot zu einem Ort, an dem sich am frühen Morgen unzählige Aras und andere Papageien versammeln sollen, um irgendwelche Mineralien aus einer Erdwand zu picken.

Wir sind viel zu früh. Grummel. Die Vögel lassen sich bis mittags Zeit, aber dann kommen sie wirklich zuhauf. Die Wand ist regelrecht bunt gefärbt, die Viecher machen einen Heidenlärm.

Darüber hinaus soll man hier alle möglichen Arten von Vögeln, Affen, Gürteltiere, sogar Nasenbären, Ameisenbären, Otter, ja sogar Ozelote, Tapire, Pumas und Jaguare sehen können.

Das einzige, was sich mir zeigt, sind die Guides, und zwar unterm Vorhang. Jede Nacht ein anderer. In der Dschungel-Lodge gibt es keine Türen, nur Vorhänge, mein Zimmer ist also nicht abgeschlossen. Das bedeutet zugleich, dass mein gellender Schrei von allen anderen Campbewohnern gehört wird.

Ok, ich will nicht ungerecht sein. Darüber hinaus bekomme ich auch paar Wasserschweine (sehr süß) zu Gesicht sowie einen Mini-Kaiman, den der Guide – ich flipp aus – einfängt und stolz herumreicht. Wir sind hier doch in keiner amerikanischen Tierdoku!

Ach ja, und es gibt noch mehr: Die Nachtspaziergänge bringen Dinge zu Tage, die ich aus dem Keller meiner Eltern (Spinnen) oder aus asiatischen Hotelzimmern (Kakerlaken und Ameisen) kenne.

An die Jaguare habe ich sowieso nie geglaubt. Und so mache ich mich über einen Franzosen lustig, der mit aufgerissenen Augen, verschwörerisch flüsternd behauptet: „I saw the eyes of the jaguar“! Ich denke zunächst, er zitiert den Titel eines Schundromans. Aber ich werde eines Besseren belehrt. Auch anderentags kommt die Nachricht einer Jaguarsichtung. Und zwar eines ganzen. Dieses Mal gibt es sogar Beweisfotos.

Ich war nicht dabei. Ich war damit beschäftigt, meinen Körper Millimeter für Millimeter nach Infektionszeichen zu untersuchen. Das nächste Mal höre ich weg, wenn Geschichten über Larven im Kopf und Anschauungsmaterial in Form von gruseligen, von fleischfressenden Parasiten verursachten Narben kursieren.

Es ist aber auch gemein. Warum stirbt sowas nicht aus? Stattdessen sind es die ganzen schönen Tiere, Pflanzenarten usw., die die Menschen hier ausrotten. Es soll sich in Tambopata um einen der am besten erhaltenen Dschungel handeln. Umso entsetzter bin ich zu sehen, wie viel der Waldfläche kaputt oder ganz abgeholzt ist. Das meiste hier ist Privatland, auf dem man anscheinend – so anders als bei uns, wo man (gelobt sei die deutsche Bürokratie) jeden Baum, den man in seinem eigenen Garten fällen will, bei der Stadt beantragen muss – treiben kann, wonach einen gelüstet. Alles, was sich bewegt, wird geschossen, gehandelt oder direkt gegessen. Auch Affen.

Die höre ich am letzten Morgen dann doch noch brüllen.